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Triesdorf, Weißes Schloss

Ein Uni-Dorf aus lauter Lustschlösschen (Triesdorf)

„Schloss“ ist kein geschützter Begriff. Im Prinzip kann jeder sein Heim zu einem erklären. Etliche Schlösser in fränkischen oder schwäbischen Dörfern, in denen einst so gut wie souveräne Reichsritter hausten, würden in ehemaligen Residenzstädtchen kaum zu den fünfzig repräsentativsten Bauten zählen. Schon daher, aber auch bei strengerer Auslegung des Begriffs: Es gibt jede Menge Schlösser in Deutschland. Seit dem Ende des Feudalismus, seit dem zum Besitz eines Schlosses nicht mehr der Besitz an leibeigenen Untertanen beziehungsweise an deren Arbeitskraft gehört (was Hofhaltung und Schlossbau einst mitfinanzierte und in kleinen Herrschaften eben nur Schlössles erlaubte), stellt sich die Frage: Was tun mit so vielen Schlössern?

Triesdorf, rotes Schloss
Triesdorfs Rotes Schloss diente einst dem Falkenjagd-Faible eines Markgrafen.

Allerhand Schlösser beherbergen inzwischen Finanzämter, etwa in Stadthagen bei Bückeburg, Dillingen an der Donau oder in Bayreuth (das freilich sehr viele Schlösser enthält). Diese Nachnutzung gestattet bei Stadtführungen den schönen Scherz, dass in Schlössern eben noch immer die sitzen, zu denen das Geld fließt (oder gleich: die Raubritter). Andere Schlösser beherbergen Altenheime. In Seniorenresidenzen bleibt immerhin der Begriff der „Residenz“ erhalten. Wieder andere Schlösser dienen als Hauptsitz von Universitäten, in Städten wie Bonn und Münster, Osnabrück oder Erlangen. Und in Triesdorf, das allerdings keine Stadt, sondern Teil der Marktgemeinde Weidenbach-Triesdorf ist. Beziehungsweise ein ansehnliches, historisch gewachsenes Schlösserdorf.

Triesdorf, Reithaus
Im einstigen Reithaus finden heute Kongresse z.B. über Kuhgesundheit statt.

Brandenburg-Ansbach? Mätressenwirtschaft??

Es war niemals Hauptstädtchen, sondern bloß Nebenresidenz der Markgrafen des Fürstentums mit dem heutzutage auch erklärungsbedürftigen Namen Brandenburg-Ansbach. Das lag nicht in Brandenburg, sondern in den Teilen des heute bayrischen Frankens, in denen jahrhundertelang die Sippe der Hohenzollern herrschte, die später auch das Kurfürstentum Brandenburg übernahm. Seither nannten die fränkischen Markgrafen-Nebenlinien in Ansbach und Bayreuth sich vorneweg ebenfalls „Brandenburg“. Und wie unter Fürsten überall üblich, erbauten sich auch die fränkischen Hohenzollern, sobald sie an die Macht gelangt waren, gerne neue Schlösser statt die alten ihrer Vorfahren weiter zu nutzen. Und wie vor allem 18. Jahrhundert üblich, hatten viele von ihnen außer ihren Ehrefrauen (die sie sich oft ja nicht selbst erwählt hatten) Mätressen.

Das ist ein durchaus heikles Thema. Einerseits handelte es sich natürlich um Günstlingswirtschaft und Willkür, welche die in vordemokratischen Epochen nicht sehr oft verfolgten, aber durchaus bekannten rechtsstaatliche Ideale weiter aushebelte. Andererseits, scharfe Kritik an Mätressen, wie sie schon seinerzeit geäußert, publiziert und oft hart bestraft wurde, kann aus gegenwärtiger Sicht schnell misogyn wirken.

Umso mehr, als manche Mätressen, wenn sie nach politischem Einfluss strebten und ihn sich verschaffen konnten, klüger, besser und zukunftsfähiger agierten als die jeweiligen Fürsten. Die vielleicht bekannteste westdeutsche Mätresse etwa, Franziska von Hohenheim, modelte den württembergischen Despoten Carl Eugen auf seine alten Tage zu einem doch noch spätaufklärerischen Herzog um (weshalb die Uni Tübingen immer noch teilweise seinen Namen trägt, also Eberhard-Karls-Uni, obwohl eine sprachpolizeiliche Initiative dagegen war …). Als Besitzerin souveräner Ritterherrschaften konnte diese Franziska sich auch nach dem Tod des 20 Jahre älteren Herzogs ihre Freiheit bewahren – anders als die wohl ostdeutsche Mätresse. Anna Constanze Gräfin von Cosel wurde nach ihren glänzenden Jahren „ein knappes halbes Jahrhundert lang bis zu ihrem Tod mit 84 Jahren“ auf der Burg Stolpen (ÜIEB-Archiv) gefangen gehalten.

Schwer einzuschätzen sind die Rolle solcher Mätressen schon deshalb, weil die ohnehin nicht sehr zahlreichen Überlieferungen über sie noch interessengeleiteter als andere sind – bzw. oft von den Herrschern oder deren Nachfolgern (die die Mätressen ihrer Väter verjagten oder einkerkerten, was keineswegs heißt, dass sie selber sich nicht andere nahmen) bestimmt.

Triesdorf, ehemalige Husaren-Kaserne
Die ehemalige Husarenkaserne macht einen durchaus urbanen Eindruck.

Jedenfalls die Triesdorfer Schlösser, es sind je nach Zählweise drei bis fünf, hatten die Ansbacher Markgrafen fern ihrer Residenzstadt vor allem zu Mätressenzwecken erbauen lassen. Das älteste Schloss gehörte wie das Dorf der Rittersippe der Seckendorffs; seine Reste lassen sich nicht mehr im geringsten als solches erkennen. Nachdem die Markgrafen den Ort gekauft hatten, entstand ab 1682 das Weiße Schloss, das locker als Schloss zu erkennen ist. Erst recht, wenn es sich im davor angelegten Gewässer spiegelt.

Falkenjagd? Falkenhausen?

Das Rote Schloss ließ der „Wilde Markgraf“ Carl Wilhelm Friedrich ab 1730 erbauen, um darin selbst zu wohnen und Falken zu züchten. Seine Leidenschaft für Falkenjagd – also nicht Jagd auf Falken, sondern mit Hilfe von Falken auf andere Tiere – war weithin berühmt bzw. berüchtigt. Dieses Markgrafen wichtigste Mätresse war unüblicherweise eine Bürgerliche, die und deren Kinder der Markgraf dann zur Adelslinie mit dem ausgedachten Namen Falkenhausen (und eigenem Schlösschen, allerdings anderswo) erheben ließ.

Triesdorf, Villa Sandrina
In der Villa Sandrina lebte einst Lady Craven …

Noch mal richtig auf blühte Triesdorf unter dem letzten Ansbacher Markgrafen Friedrich Carl Alexander, der das Hofgartenschloss sowie die Villa Sandrina und die (bald wieder abgerissene) Villa Rotunda errichten ließ, und zwar für seine Mätressen. Es handelte sich zunächst um „die berühmte Pariser Schauspielerin Clairon“, die im für sie erweiterten Weißen Schloss wohnte und vom dreizehn Jahre jüngeren Markgrafen „Mama“ genannt wurde, wie die „Allgemeine Deutsche Biographie“ 1882 schrieb. Und dann vor allem um die englische Schriftstellerin Elizabeth bzw. Lady Craven, die von der Mätresse zur späteren Ehefrau des letzten Markgrafen aufstieg, aber auch als weitgereiste Schriftstellerin so wichtig wurde, dass in ihren englischen Biografie-Zusammenfassungen der Markgraf gar keine Hauptrolle spielt.

Alexander wäre sowieso der letzte Markgraf gewesen, weil er trotz zweier offizieller Ehen und diverser Mätressen keine Nachkommen hatte (womöglich der Syphillis wegen, die er sich auf der obligatorischen „Kavaliersreise“ in Venedig zugezogen hatte, wurde schon zu seinen Lebzeiten gerne spekuliert). Nur mit Söhnen von einer geheirateten standesgemäßen Adeligen hätten die Markgrafen-Staaten gemäß dem seinerzeitigen Erbschaftsrecht weiter bestanden.

Der Plural trifft hier zu, weil die verwandten Markgrafen von Brandenburg-Bayreuth schon vor den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach aus ähnlichen Gründen ausgestorben waren. Alexander hatte vertragsgemäß auch deren Kleinstaat geerbt. Einige Jahrzehnte lang regierte er leidlich zeitgemäß. Zum Beispiel förderte er seine Landes-Universität in Erlangen (noch nicht wie heute im dortigen Schloss, das nämlich noch als Witwensitz einer älteren Fürstin diente). Und er verringerte die horrenden Schulden, die sein Vater durch sein Falkenjagd-Faible angehäuft hatte – allerdings in erster Linie durch den Verkauf junger Untertanen an den König von England (und Hannover), der zur Bekämpfung des Aufstands der nordamerikanischen Kolonisten lieber deutsche Söldner als eigene Untertanen über den Atlantik schickte. Bekanntlich haben sie den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg dann ja auch verloren.

Carl Friedrich Alexanders Weitsicht

An Triesdorfs Kastanienallee …

Sei es, dass Friedrich Carl Alexander Geschmack an solchen lukrativen Geschäften auf höchster Ebene gewonnen hat, sei es, dass die englische Lady ihn beeinflusste. Sei es, dass er besser als viele seiner vielen deutschen Fürstenkollegen am Ende des Rokoko vorhersah, was die Zukunft, die gerade anlaufende Französische Revolution und die Gegenbewegungen bringen würden. Weil wie gesagt sowieso absehbar war, dass Ansbach-Bayreuth nach seinem Tod an das eigentliche Brandenburg, ergo ans Königreich Preußen fallen würde, verkaufte Friedrich Carl Alexander seine Fürstentümer im Januar 1791 zunächst heimlich gegen 300.000 Gulden jährlich schon vorab an Preußen.

Seine Untertanen erfuhren davon erst im Dezember desselben Jahres, nachdem Alexander den Kleinstaat längst mit Lady Craven verlassen hatte, um mit ihr durch Südeuropa zu reisen und sie am 30. Oktober in Lissabon zu heiraten (was durch den Tod seiner offiziellen Gattin im Februar möglich geworden war). Im Dezember im fernen Bordeaux dankte der Fürst von Ansbach und Bayreuth offiziell ab. Mit dem guten Gespür, das Alexander offenbar besaß, zog er mit der Lady nach England, ließ 26 von seinen rund 500 Pferden aus Triesdorf nachkommen und sich im heutigen Londoner Stadtteil Hammersmith ein „Brandenburg House“ errichten. Dort machte er Pferdezucht zum zentralen Aspekt seines Lebensabends.

Nach England überzusiedeln, war eine zukunftssichere Entscheidung, weil in den 1790ern sukzessive in ganz Europa jede Menge Kriege rund um die Französische Revolution zu toben begannen – in Italien, wo das Paar gerne weilte, in Portugal, wo es geheiratet hatte … und in Ansbach-Bayreuth. Vermutlich hatten die überraschten Untertanen sich über den Verkauf erst mal gefreut. Schließlich genoss Preußen damals, fünf Jahre nach dem Tod Friedrichs des Großen (der sich statt mit Mätressen lieber mit Windhunden beschäftigte), einen guten Ruf. Ab 1797 regierte nach Friedrich Wilhelm II. (dessen Berlin-Potsdamer Mätresse als „Schöne Wilhelmine“ auch größere Bekanntheit genoss) dessen Sohn Friedrich Wilhelm III., der mit der phänomenal beliebten Königin Luise glücklichst verheiratet war. Auch die Franken begrüßten das medienprominente Royals-Paar auf seinen Besuchen begeistert.

Wobei, nachdem Preußen sich doch wieder in die inzwischen von Napoleon geführten Kriege mit Frankreich verwickeln hatte lassen, wurde Ansbach von einer französischen Armee besetzt und in einem der zeittypischen Länder-Deals an die in Franken damals wenig beliebten Bayern weitergereicht. Friedrich Carl Alexander bekam das auch noch mit, bevor er 1806 in England starb. Wahrscheinlich war er froh, in diese Verwicklungen nicht noch selber verstrickt worden zu sein.

Was unter Preußen und Bayern daraus wurde

Triesdorfe, Schafe
… vorm Weißen Schloss weiden seit inzwischen einigen Jahrhunderten Schafe

Und Triesdorf mit all seinen, zuletzt von Lady Craven nach dem damals auf der Höhe des Zeit befindlichen britisch-klassizistischen Geschmack beeinflussten Lustschlösschen und weiteren absolutistischen Bauten?

Nun ja, ein gewisses zukunftsweisendes, vielleicht gar nachhaltiges Gespür lässt sich den Brandenburg-Ansbacher Markgrafen nicht absprechen. Schon der „Wilde Markgraf“ hatte, um seine Falken zumindest ein bisschen gegenzufinanzieren, bäuerliche Landwirtschaft gefördert. Neben der seit 1730 betriebenen Pferdezucht ließ er eine „Holländerey“ anlegen, für die friesisch-niederländische Niederungsrinder importiert wurden. Unter seinem Sohn gesellten sich „Höhenrinder aus der Westschweiz“ zu ihnen. Die daraus gezüchtete Rinderrasse findet man unter dem Namen „Triesdorfer Tiger“ noch immer im Internet. Überdies initiierte Alexander noch 1788 eine „Schaafsverbesserungspflanzschule“, in der „französische und spanische Merinos“ mit einheimischen „Zaupelschafen“ gekreuzt wurden. Die Lady hatte natürlich eine Orangerie anlegen lassen. Und die künstlichen Gewässer dienten nicht allein dazu, dass die Schlösser sich darin spiegeln und die Fürsten in Gondeln im venezianischem Stil rudern lassen konnten, sondern auch zur Fischzucht.

Kurzum: Triesdorf hatte sich schon im 18. Jahrhundert zu solch einem landwirtschaftlichen Muster-Betrieb entwickelt, dass sowohl die ohnehin generalstabsmäßig denkenden Preußen als auch Bayern ihn weiter nutzten und entwickelten.

Heutzutage ist Triesdorf „der kleinste Ort Deutschlands[,] an dem eine Hochschule besteht“ (Wikipedia), so wie die Internetadresse triesdorf.de zu den dortigen Landwirtschaftlichen Lehranstalten führt, die mit der Hochschule bzw. „University of Applied Sciences“ Weihenstephan-Triesdorf nicht identisch sind, aber kooperieren (falls ich das richtig verstehe).

Wie gesagt ist Triesdorf ja gar keine Stadt, sondern bildet gemeinsam mit dem Nachbardorf Weidenbach (in das einst Triesdorfer Bauern umgesiedelt wurden, als die Markgrafen ihren Lustschlösser bauen ließen) die Marktgemeinde Weidenbach-Triesdorf. Das Weiße Schloss ist Sitz der Fachakademie für Hauswirtschaft, das Rote Tierhaltungsschule und Studentenwohnheim, der Marstall, also Pferdestall, die Kantine und das Alte Reithaus die Aula, in der Kongresse z.B. über Kuhgesundheit stattfinden. Der Hofgarten beherbergt als Pomodorium nach eigenen Angaben sage und schreibe 1.200 Apfelsorten. Als Beispiel für sinnvoll nachhaltige Weiternutzung von schön anzusehendem feudalistischem Lustschlösschen-Baubestand ist das Universitätsdorf Triesdorf ziemlich musterhaft.

Triesdorf, Apfelbäume in Pomoretum

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2 Kommentare

  1. Bei der Aufzählung bitte das Schloss des Markgrafen im Stadtzentrum von Ansbach nicht vergessen. In seiner näheren Umgebung wurde einige kleinere Kavaliershäuser oder kleine Palais gebaut, von denen einige noch stehen. http://markgraf-ansbach.de/
    Eines davon gehört zum Hotel Platengarten, nach Graf Platen benannt und steht gegenüber vom Schloss des Markgrafen.

    1. Danke sehr für den Hinweis. Allerdings zähle ich hier ja bloß die Triesdorfer Schlösser auf und nicht noch die anderen um und in Ansbach (das natürlich auch ein interessanter Ort ist; darüber schrieb ich schon mal 2011, allerdings eher über den schönen Hofgarten und Kaspar Hauser: https://archiv.ueberallistesbesser.de/schoner-tatort-ansbach/). Jedenfalls schon irre, wie viele Schlösser die Ansbacher Fürsten sich in ihrem nicht sehr großen Staat hatten errichten lassen.

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