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Döner in schöner Schreibschrift (Bad Karlshafen)

Bad Karlshafen, Rathaus am Hafenplatz vor dem ehemaligen Hafenbecken

Im Absolutismus konnten Herrscher, vereinfacht gesagt, tollkühne Pläne aller Art verfolgen, solange keine mächtigeren Herrscher, Naturkatastrophen oder schließlich Revolutionen dazwischenkamen. Und solange sie lebten – denn absolutistische Erben konnten auch tun, was sie wollten, und sie wollten häufig lieber eigene Visionen verwirklichen anstatt ältere fortzuführen.

Bad Karlshafen, Hafenplatz mit ehemaligem HafenbeckenLetzteres kann man ganz gut in Bad Karlshafen (Hessen) sehen, das anno 1699 vom Landgraf Karl von Hessen-Kassel als Fabrik- und Handelsstadt gegründet wurde. Karl hatte auch deshalb ehrgeizige Pläne, weil damals mit den Protestanten, die wegen des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Frankreich verlassen mussten und die heute unter dem Begriff Hugenotten zusammengefasst werden, begehrte Migranten unterwegs waren. Sie beherrschten Handwerke, die in Deutschland noch recht unbekannt waren, und wurden auch im neuen Karlshafen angesiedelt.

Bad Karlshafen, Teil des alten Landgraf-Carl-KanalsÜberdies sollte ein neuer Kanal den Ort aufwerten. Schließlich führt die Weser, an der er liegt, als relativ großer Fluss bekanntlich in die Nordsee. Das weiter weseraufwärts gelegene Hann. Münden jedoch verlangte, weil es den welfischen Herrschern von Braunschweig bzw. Hannover gehörte, von den Hessen Zölle. Um also aus seinem Territorium rund um die Hauptstadt Kassel besser auf die Weltmeere und an den Welthandel zu gelangen, sollte der Kanal helfen. In Kombination mit dem bei Karlshafen in die Weser mündenden Flüsschen Diemel sollte er bis ins hessen-kasselsche Marburg und vielleicht gar bis zum Rhein reichen.

Bad Karlshafen, Idealmodell der barocken PlanstadtDavon zeugen nicht allein Texttafeln in Bad Karlshafen. Reste des Kanals sind im Städtchen zu sehen. Der zentrale Platz heißt Hafenplatz, weil sich in der Mitte eine Art… Tümpel wäre unfreundlich (vielleicht kommt einem das Wort bloß in den Sinn, weil dort heute pittoresk ein Ruderboot vor dem Rathaus dümpelt), … ein künstlich angelegtes Gewässer befindet. Das war seinerzeit das Hafenbecken. Rundherum liegt die barocke Planstadt mit symmetrisch angelegten Straßenzügen und macht bei Sonnenschein einen schönen Eindruck. Ganz so groß wie das im Rathausfoyer ausgestellte Idealmodell ist sie in Wirklichkeit nicht geworden. Aber auf jedem der Häuser steht in vielleicht wirklich leicht barocker, jedenfalls formschöner Schreibschrift drauf, was sich drin befindet. Dass nicht nur „Buchhandlung“ draufsteht, sondern auch „Fernseh-Service“ und sogar „Efes -Döner – Kebap“ zeigt, dass die Karlshafener der Gegenwart das alte Prinzip hochhalten.

Bad Karlshafen, Hausbeschriftung in der barocken PlanstadtBad Karlshafen, Hausbeschriftung in der barocken PlanstadtBad Karlshafen, Hausbeschriftung in der barocken PlanstadtDer Grund, aus dem Karls Hafenprojekte bald nicht mehr hochgehalten wurden, war der Tod des Landgrafen 1730. Sowohl der Erbprinz, der hauptberuflich sowieso schon schwedischer König geworden war, als auch der ihn vertretende Regent interessierten sich nicht mehr dafür. Der Kanalbau ins hessische Landesinnere hatte in den 1720er Jahren das Dorf Hümme erreicht. „Und zwei Jahre lang wird ein Probebetrieb mit einem Marktschiff durchgeführt. Aus wirtschaftlichen Gründen wird das Kanalprojekt wieder eingestellt… In Teilen ist das alte Kanalbett heute noch erkennbar“, informiert die private Webseite huemme.org.

Dort, wo in Karlshafen der Kanalrest in die Weser mündet, steht eine steinerne Texttafel, die selbst bereits denkmalartig verwittert aussieht, obwohl sie eigentlich bloß einen Aufruf zum Aufstellen eines tatsächlichen Denkmals darstellt: Dieses will (oder wollte?) der lokale Heimatverein „zur Erinnerung der Teilnahme der hessischen Jäger am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1776- 1783)“ errichten lassen.

Bad Karlshafen, denkmalartige Tafel, die zur Errichtung eines Denkmals für die Hessians im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg auffordertTatsächlich spielten die Hessians in der „American Revolution“ eine gar nicht kleine Rolle (ja, spielen sie noch in der performativen Nachbereitung in den USA und in der (Ex-)Vizepräsidentinnen-Kinderliteratur, ja, sie gelten als „infamous in American history“…). Dass sie auf der Seite der Verlierer kämpften, der englischen, jedoch weder freiwillig noch auf eigene Rechnung – das passt auf so eine steinerne Tafel naturgemäß nicht. Vermutlich stünde es aber auf oder neben dem Denkmal, wenn es mal errichtet werden sollte. Das wäre definitiv spannend.

Bad Karlshafen, der alte Landgraf-Carl-Kanal mündet in die WeserDenn dass die Kasseler Landgrafen im 18. Jahrhundert besonders vermögend wurden und allerlei auch aus gegenwärtiger Sicht noch spektakuläre Bauten zu errichten vermochten, hängt mit dem von ihnen entdeckten Geschäftsmodell des globalen Soldatenhandels zusammen. Landgraf Karl, der außer Karlshafen z.B. auch die Herkules-Statue in Kassel-Wilhelmshöhe erbauen ließ, war da ein Pionier und ließ seine  Soldaten für Dänemark, Spanien und Venedig kämpfen.

Die Einschiffung der von seinen Nachfolgern in den 1770er Jahren dann nach Amerika verkauften bzw. vermieteten Soldaten (die, die zurückkehrten, bekämpften z.B. noch einen Aufstand in Irland) musste übrigens nicht unbedingt in Karls hessischem Hafen geschehen. Das ging auch in Hannoversch Münden, schließlich war der König von Hannover ja seinerzeit auch bzw. vor allem König von England.

Hann. Münden, Rathauswandgemälde ca. der 1920er Jahre, das die Einschiffung hessischer Soldaten zeigt

3 Kommentare

  1. Möglicherweise ließ Landgraf Carl von seinen heute dubiös erscheinenden Einnahmen aus dem Soldatenhandel auch das mächtige Schloß Friedrichstein, oberhalb von Alt-Wildungen gelegen, bauen -wie es ein uns zugänglicher Flyer kürzlich erläuterte.Wahrlich eine interessante Geschichte, bei der sich die Frage stellt,ob die Soldaten freiwillig oder gezwungen Söldner anderer Herren wurden ?

    1. Oh ja, dieses Schloss Friedrichstein scheint ja auch wieder skurrile Geschichten enthalten. Erbaut wurde es (der Museums-Webseite zufolge) von Grafen von Waldeck, die bis ins 20. Jahrhundert gar nicht zu Hessen gehörten. Aber drin zu sehen sein sollen „Sammlungen zur hessischen Militär- und Jagdgeschichte unter den Landgrafen von Hessen-Kassel.“

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