Womöglich wird die Weltbekanntheit der Schiller-Zeile „Daran erkenn‘ ich meine Pappenheimer“ aus dem 15. Auftritt im dritten Aufzug des Dramas „Wallenstein“ in und um Pappenheim (Bayern) leicht überschätzt. Man begegnet ihr ziemlich oft im Städtchen.
Umgekehrt kann natürlich auch sein, dass sie jenseits der Ortschaft einfach unterschätzt wird. Dennoch, nördlich Mittelfrankens wäre die Frage, ob es so ein Pappenheim denn überhaupt gibt, auch keine ganz doofe.
Es gibt es. Und wer kleine Städte an schönen Flüssen schätzt, über denen selbstverständlich eine Burg thront und deren Geschichte gemessen an der Größe erstaunlich kompliziert ist, sollte dieses Pappenheim kennen.
Der Fluss ist die Altmühl, die Stadt ist 2012 genau 1210 Jahre alt und die Pappenheimer, die Schillers Bühnenheld meinte, sind die Soldaten der Reichserbmarschälle des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Diesen klangvollen und, wie die zweite Silbe sagt, erblichen Titel trugen die Herren von Pappenheim so lange, vom elften bis knapp ins 19. Jahrhundert hinein, dass er so sprichwörtlich werden konnte, wie es das Pappenheim der Gegenwart gern noch hätte. Das Erbmarschalls-Amt bedeutete ursprünglich die Aufsicht über des Kaisers Pferde, entwickelte sich dann aber zu einem hervorgehobenen Heerführer-Posten. Als solche waren die Pappenheimer an vielen Kriegen beteiligt, wenn sie nicht in Pappenheim (oder anderen Hauptstädtchen ihres öfters auch in erbgeteilten Territoriums) residierten.
Dass es ihnen nicht wirklich gelang, den klangvollen Titel zu versilbern, macht die textlastige, aber interessante historische Ausstellung in der Burg von Pappenheim deutlich; 1780, ein Vierteljahrhundert, bevor die Grafschaft gegen den Willen der Einwohner zum frischen Königreich Bayern kam, ging sie staatsbankrott. Als Domain grafschaft-pappenheim.de hallt sie aber noch nach.
„Womöglich glanzvoller denn je“ „ins Licht der Weltgeschichte“, wie es in einer Broschüre des Europäischen Burgeninstituts heißt, traten diese Pappenheimer also mit Gottfried Heinrich zu Pappenheim, der es bis zur Erwähnung bei Schiller brachte. Er war im Dreißigjährigen Krieg auf der kaiserlichen Seite aktiv. Zu seinen Kriegs-Credits zählen die Eroberung der evangelischen Festung Wolfenbüttel 1627 nach viermonatiger Belagerung (indem er den dortigen Fluss Oker durch einen Damm stauen und so die Stadt überschwemmen ließ) sowie die seinerzeit als besonders fürchterlich berühmt gewordene Zerstörung Magdeburgs 1631, die in Fernsehen heute öfters als „Das Massaker von Magdeburg“ vorkommt. Dass es dazu eher zufällig und unabsichtlich gekommen sei, weil „ein kleineres, von ihm gelegtes taktisches Feuer sich zum Inferno entwickelte“, meint die o.g. historische Ausstellung.
Obwohl Gottfried Heinrich wohl selber gern Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel geworden wäre, wurde er bloß in den Grafenstand erhoben. Grafen heißen die Pappenheimer also erst seit ihm. Er starb 1632 nach einer Verwundung in derselben Schlacht, in der auf der gegnerischen Seite auch der schwedische König Gustav Adolf tödlich verwundet wurde (was bekanntlich aber nicht im geringsten hieß, dass damit dieser Krieg zuende gegangen wäre).
Ein interessant anzuschauendes Denkmal dieses Pappenheimers steht unten im Ort, gegenüber dem Alten Schloss (das jedoch jünger ist als die Burg, die zugunsten dieses Schloss aufgegeben worden war) und der Stadtkirche. Diese Stadtkirche – und da wird’s wieder interessant oder zumindest kompliziert – ist evangelisch. Denn obwohl in Pappenheim 1539 die Reformation eingeführt worden war, kämpfte Gottfried Heinrich zu Pappenheim in dem für damalige Verhältnisse fürchterlichsten Krieg auf der katholischen, kaiserlichen Seite. Beziehungsweise: Obwohl der evangelisch getaufte Gottfried Heinrich zum Katholizismus konvertiert war, machte er die Reformation in seinem Fürstentümchen nicht wieder rückgängig. Ob er vor lauter Krieg, den er etwa auch in Italien führte, einfach nicht dazu kam, sein Territorium zu rekatholisieren, wie es unter Fürsten damals selbstverständlich war, oder es ihm sogar egal war – unklar, zumindest in den keineswegs wenigen Darstellungen Gottfried Heinrichs und seiner Pappenheimer nicht enthalten. Die Stadt wurde dann 1633 von den evangelischen Schweden belagert, wobei die Burg noch einmal zur Geltung kam. Die Burgeninstituts-Broschüre bestreitet fast drei Seiten mit der heroischen, am Ende jedoch vergeblichen Verteidigung gegen die Belagerer.
Solche Details, dass also auch im Dreißigjährigen Krieg evangelische Armeen evangelische Städte belagerten (wie auch Katholiken Katholiken bekriegten), erschweren zwar das Verständnis dieses Krieges. Andererseits wird man vermutlich vielen Kriegen oder ihren Opfern am ehesten gerecht, indem man nicht so tut als seien sie leicht verständlich.
Pappenheim enthält außer der Stadtkirche auch eine noch ältere, deren Rechteckigkeit und schön schlichte Wucht einen auf Anhieb zu erkennen meinen lässt, wie uralt sie ist (die Bausubstanz stammt teils aus dem 9. Jahrhundert), und sie ist ebenfalls seit der Reformationszeit evangelisch. Galluskirche heißt sie, weil die Stadt 802 – das war ihre erste Erwähnung – dem Kloster St. Gallen geschenkt worden war.
Das unterhalb der Burg ein wenig Puppenstuben-hafte Pappenheim eignet sich, zugegeben, eher für Aufenthalte an Tagen, an denen es lange hell ist. Kennenlernenswert ist es aber.