Das wahrscheinlich bekannteste Ereignis der eigenstaatlichen bzw. -freistaatlichen Existenz Braunschweigs, um die es gerade schon hier ging, ist vermutlich die Einbürgerung Hitlers ins Deutsche Reich. Sie geschah durch seine Ernennung zum Regierungsrat bei der Braunschweigischen Gesandtschaft in Berlin anno 1932, und hängt damit zusammen, dass es im Landtag des Quasi-Bundeslandes Braunschweig schon seit 1931 einen Nazi-„Staatsminister für Inneres und Volksbildung“ gab, Dietrich Klagges. Auf den Touchscreens des Schlossmuseums zur Landesgeschichte, von denen im vorigen Beitrag die Rede ist, kommt dieses Ereignis auch vor. Denn der Nazi-Pionierrolle des Landes wegen bekam die Stadt Braunschweig 1935 dann eine „SS-Junkerschule“, und die hatte ihren Sitz im Schloss (also dem zweiten, ab 1831 aufgebauten, 1960 abgerissenen).
Andererseits spielte Braunschweig auch bei den nachkriegsdeutschen Bemühungen, eine Haltung zum Kulturbruch und den Verbrechen des Nazistaats zu finden, eine Rolle: Am Landgericht dort war seit 1949 der Jurist Fritz Bauer tätig, der heute vor allem durch den Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963 bis 1965 bekannt ist. 1952 führte er als Generalstaatsanwalt in Braunschweig einen vielbeachteten Prozess gegen Otto Ernst Remer, der 1944 Kommandeur des Wachbataillons „Großdeutschland“ war (und am 20. Juli 1944 Hitler am Telefon hatte). Wenige Jahre später war er zweiter Vorsitzender der früh-neonazistischen „Sozialistischen Reichspartei“ und bezeichnete während einer Rede in Braunschweig die Attentäter vom 20. Juli als Landesverräter, woraufhin ihn ein CDU-Politiker wegen Verleumdung verklagte.
„Ein Unrechtsstaat, der täglich zehntausende Morde begeht, berechtigt jedermann zur Notwehr … Ich stelle deswegen den Satz auf: Ein Unrechtsstaat – im Gegensatz zum heutigen Rechtsstaat – wie das Dritte Reich ist überhaupt nicht hochverratsfähig“,
ist eine der zentralen Aussagen Bauers aus diesem Prozess. Wer heute weiß, was für ein quälend langsamer Prozess die Durchsetzung solcher Ansichten in der frühen BRD war, kann ungefähr erahnen, was für ein großer Schritt dieser Prozess gewesen sein muss, und was für eine Aufgabe für einen jüdischen Remigranten wie Bauer. Noch bis zum 28. September erinnert daran eine kleine, aber ansehenswerte Ausstellung am Originalschauplatz, dem Braunschweiger Landgericht.
Zwischen diesen Ereignissen, im Zweiten Weltkrieg, ist Braunschweig, auch wenn es noch eine Menge alter Bauwerke enthält, stark zerstört worden. Daher enthält es ebenfalls viel 50er-Jahre-Architektur – die irgendwie auch schon wieder entzückt.