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Axolotl, Jagdhasen, Duckstein (Königslutter)

Königslutter, Kaiserdom, Jagdhasen am Jagdfries Wer gratis lebende Axolotl besichtigen möchte, kann das in Königslutter tun. Exemplare des auch aus jüngeren literarischen Diskussionen bekannten Schwanzlurchs werden im Geopark-Infozentrum, dem einstigen Kantoren-Fachwerkhaus neben der Stadtkirche des niedersächsischen Ortes ausgestellt.

Königslutter, AxelotlDie Kirche direkt daneben ist nicht der Kaiserdom, für den Königslutter ansonsten etwas bekannt ist. Der steht außerhalb des Innenstädtchens in interessanter Umgebung (eines lebhaften Psychiatriezentrums) und ist so massig, dass er sich mit einem Handy insgesamt gar nicht fotografieren lässt. Was allerdings auch mit den gewaltigen Bäumen zusammenhängt, die drumherum stehen, darunter die  ca. 13 m breite und wohl knapp 900 Jahre alte Kaiser Lothar-Linde. Der Dom enthält ebenfalls interessantes Getier, zumindest als Ornamente: Vor dem Eingangsportal wachen zwei große steinerne Löwen, unter deren einem ein kleines Menschlein derart kauert, dass Betrachter länger meditieren können, ob der Löwe es ehe schützt oder eher bedroht.

Königslutter, KaiserdomKönigslutter, Kaiser Lothar-LindeNoch vertrackter sind die Figuren draußen am Jagdfries des Doms. Überwiegend tun sie, was Jagddarstellungen tun müssen, zeigen also konventionelle Jagdszenen. An einer Stelle allerdings fesseln zwei Hasen einen Jäger. Die Interpretation der Denkmalschutzstiftungs-Zeitschrft „monumente“ geht dahin, dass da zwar „das Böse in Gestalt des Jägers in Erscheinung tritt, das vom Guten besiegt wird“, dass sich aber im Verlauf des Frieses, wenn man ihn von links nach rechts entschlüsselt, der Künstler selbst dennoch als „Hasenbezwinger“ („nikáo lagos“) dargestellt hat. Und zwar, um durch ein altgriechisch-sprachiges Worträtsel in verschlüsselter Form (zu der auch noch eine spiegelverkehrte Inschrift gehört) auf seinen Namen hinzuweisen. Nicolaus von Verona, der sonst vor allem in lombardischen Städten wie Piacenza tätig war, hat das Ganze vermutlich gemeißelt – in einer Epoche, in der Künstler eigentlich noch zu bescheiden waren, um ihre Werke zu signieren. Oder es jedenfalls nicht taten.

Königslutter, Löwe vorm KaiserdomAnsonsten bietet der von außen romanische Dom einen bunten Stilmix: Das Innere wurde im späten 19. Jahrhundert jugendstilig ausgemalt, die barocken Kaisergräber stammen aus dem frühen 18. Jahrhundert, als der Braunschweiger Herzog Anton Ulrich eine Rangerhöhung für sein Herzogtum erstrebte (siehe ÜIEB-Text über Wolfenbüttel) und sich eines frühen Vorfahren entsann, der sogar Kaiser war: Lothar von Süpplingenburg stammte aus dem nächsten Dorf östlich von Königslutter, welches seinen Namen wiederum deshalb trägt, weil diesem Lothar im 12. Jahrhundert zunächst der Aufstieg zum deutschen König gelang. Später ließ er sich in Rom gar zum Kaiser krönen. Und von unterwegs brachte er lombardische Künstler mit in den nördlichsten Ort, an dem wohl jemals mittelalterliche Kaiser residiert haben, und legte anno 1135 noch den Grundstein zum aus Elmkalkstein errichteten Dom.

Königslutter, Elmstein im DombaumuseumDer Elm ist der südlich Königslutters gelegene Gebirgszug, nach eigenen Angaben „Deutschlands größter zusammenhängender Buchenwald“ und tatsächlich schön. Außerdem ist er einer der Anlässe des oben erwähnten Geopark-Infozentrums. Während mir der Grund für die Axolotl-Präsenz nicht unmittelbar klar wurde, macht die Ausstellung rundherum die geologischen Besonderheiten der Gegend deutlich. Spektakulär sind Skelette von Fischsauriern sowie Schmelzschuppenfische, die dort häufig ausgegraben werden.

Königslutter, Duckstein
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Zu den geologischen Besonderheiten gehört kalkhaltiges Wasser, das im Elmkalkstein eine gut dämmende Gesteinsart entstehen ließ, die zum Bau gleichmäßig temperierter Keller genutzt wurden und heute noch Bierkennern vertraut ist: Duckstein. Das gleichnamige obergärige Bier wurde vom 17. bis ins 19. Jahrhundert aus dem Quellwasser des Flüsschens Lutter in über 70 Königslutterer Braustätten, also Häusern mit Braugenehmigung gebraut und war ein guter Exportartikel. Später wurde es im nahen Braunschweig gebraut. Seitdem die Biermarke den Brauereiriesen Holsten und damit Carlsberg gehört, verschwanden sukzessive alle Hinweise auf Königslutterer Herkunft von den Etiketten, wie die Wikipedia beschreibt, sodass heutige Duckstein-Trinker überhaupt nichts mehr von den Ursprüngen des Biers erfahren. Derzeit wird es in Lübz gebraut.

Die entwurzelnde Bierglobalisierung mag etwas ungerecht sein, ungerechter aber ist die Geologie, als deren „klassische Quadratmeile“ einst Alexander von Humboldt den westlichen Nordharzrand bezeichnet hatte (wie diverse der zahlreichen, für Nichtgeologen nicht immer ganz leicht verständlichen Geopark-Broschüren gerne erwähnen): Der nächste, ebenfalls durch Salzaufstieg entstandene, ebenfalls niedrige Höhenzug südwestlich im eigentlich flachen Harzvorland ist die Asse, die wie der Elm lange zum Salzabbau genutzt wurde. In den 1960ern wurde das stillgelegte Salzbergwerk zum Atomklo der alten BRD bestimmt, als das die Asse heute negative Berühmtheit besitzt. Der nächste Höhenzüg nordöstlich wiederum ist der Lappwald, in dem, bei Morsleben, in einem ehemalige Kali- und Steinsalzbergwerk 1971 die DDR ihr Gegenstück eingerichtet hatte.

Es gibt also privilegiertere Wohngegenden in Deutschland. Aber ein Besuch am oder im Elm lohnt sich.

Königslutter, Fischsaurierskelett im Geopark-Infozentrum

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