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Nicht nur Namensgeber eines bekannten Bergs (Prenzlau)

Prenzlau, Plattenbauten vorm Backsteindom St. Marien

Schroffe Kontraste springen in vielen Städten, die einst in der DDR lagen, ins Auge. Da ist Prenzlau (Brandenburg) nicht allein. Allerdings sind die Kontraste dort schon alt.

Prenzlau, Neue Mitte (oben vom Dom aus gesehen)

So zeigt die Broschüre „Stadtbrüche“, dass der riesige Backsteindom aus dem späten 13. Jahrhundert schon lange vor der weitgehenden Zerstörung der Stadt ganz am Ende des Zweiten Weltkriegs von vergleichsweise kleinen Häuschen umgeben war. 1919 gewann Hans Scharoun, der später einer der wichtigsten deutschen Nachkriegsarchitekten werden sollte (z.B. in den 1960ern die West-Berliner Stabi entwarf), einen städtischen Wettbewerb zur Marktplatz-Neugestaltung mit dem Plan, die damalige Umbauung nicht abreißen zu lassen.

Prenzlau, Luther-Denkmal vorm Dom

Zurzeit ist der Dom gar nicht unmittelbar umbaut, aus vielen Blickwinkel allerdings von Waschbeton-Plattenbauten des Typs „WBS 70“ umflort, die noch 1988 erbaut wurden. Auf der anderen Seite befindet sich, erst seit den 2010er Jahren, die auch gewöhnungsbedürftige „Neue Mitte“, die damit umzugehen versucht, dass die Rathausruine am Marktplatz 1960 abgerissen worden ist. Über all das ließe sich stadtplanerisch-architektonisch streiten. Jedenfalls wirkt der St. Marien-Dom in der Umgebung eindrucksvoll.

Ansonsten ist Prenzlau reich an Parks (ein gutes Beispiel dafür, dass nicht bloß Bundes-, sondern auch Landesgartenschauen dem Ortsbild nicht ungeheuer bevorzugter Orte gut tun können) und an Parkplätzen. Es enthält ziemlich viel erhaltene Stadtmauer mit allerhand Türmen (der ulkig bauchige Mitteltorturm, wiederum nahe des Doms, ist der einprägsamste und soll die Türme der Oberbaumbrücke in Berlin inspiriert haben) sowie sehr viele Kirchen und Klöster (sieben bzw. drei), die von altem Reichtum aus dem Mittelalter zeugen.

Prenzlau, Stadtmauer mit Turm (und Parkplatz)

Der 30-jährige Krieg und weitere Schwedenkriege des 17. Jahrhunderts haben diese Phase beendet. „Von 787 Häusern vor dem krieg waren 160 nur noch 107 bewohnt. 314 standen leer, 366 ware abgetragen“, steht im „Handbuch der historischen Stätten Deutschlands“ über den 30-jährigen Krieg. Ende April 1945 wurde der Ort zu über 80 Prozent zerstört, weil wie in vielen Städten nahe Berlins die verbissensten Nazis noch Endkämpfe ausfochten.

Prenzlau, Infotafel zur "Kapitulation von Prenzlau"
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Solche Kriegszerstörungen sind in der deutschen Städtelandschaft freilich ziemlich normal. Immerhin bietet Prenzlau auch ein schönes Beispiel dafür, dass es im Prinzip anders geht. Die entsprechende Informationstafel empfängt einen gleich vor dem Bahnhof. Dort, wo einst das Stettiner Stadttor, fand am 28. Oktober 1806 die „Kapitulation bei Prenzlau“ statt. Etwa 10.000 Preußen ergab sich 1.500 Franzosen, da sie dachten, es seien 90.000.

Es waren Truppen unter dem Befehl des Fürsten Friedrich Ludwig zu Hohenlohe-Ingelfingen, die und der zuvor in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt gegen Napoleons Armee die Jenaer Schlacht verloren hatten und auf dem Rückzug waren. Der Fürst hatte „infolge einer falschen Lagebeurteilung Massenbachs … den vermeintlich sicheren und sinnlosen Tod seiner Soldaten vor Augen“ gehabt, steht im Wikipedia-Artikel über Christian von Massenbach. „Dafür von König Friedrich Wilhelm III. verantwortlich gemacht, wurde er aus dem Heeresdienst entlassen“ und starb später verbittert in Schlesien, heißt es ebd. über Hohenlohe-Ingelfingen (der, ganz am Rande, bis in diese Zeit hinein daheim in Ingelfingen, bis das Städtchen württembergisch wurde, auch ein souveräner Fürst gewesen war).

Prenzlau, Mitteltorturm (und Vorbild für einen Turm der Oberbaumbrücke in Berlin)
Prenzlau, Steintorturm

Jenem von Massenbach wurde anno 1810 nicht bloß der letzte Band „seiner vielbeachteten Memoiren“, „der eine kritische Darstellung der Ereignisse von 1806 und die Aufdeckung der Ursachen für das Versagen der Preußischen Armee enthielt, … … eingezogen und vernichtet“, vielmehr wurde er noch später, derentwegen bzw. wegen Landesverrats, jahrelang in Festungshaft gehalten.

Die militärische Lage von 1806 ist natürlich 1000-mal überholt und längst herzlich egal. Das Heilige Römische Reich, mit dem Preußen ohnehin nicht mehr viel zu schaffen hatten, war bereits im August des Jahres aufgelöst worden. Und in Berlin waren Napoleon und seine Soldaten schon am Vortag eingezogen. Dass es den gleichen Preußen erst Jahre später in einer sehr großen internationalen und nationalen Allianz gelang, sie zu besiegen, ist ebenso bekannt wie der Umstand, dass vieles, was an Preußen aus heutiger Sicht recht sinnvoll bis fortschrittlich erscheinen kann, die Reformen Steins, Hardenbergs, Humboldts, gerade erst nach den gründlichen Niederlagen von 1806 durchgesetzt werden konnte.

Prenzlau, Stadtmauer

Insofern könnte sinnvoll sein, diese noch immer leicht geheimnisumwitterte, aus heutiger Sicht absolut sympathische „Kapitulation bei Prenzlau“ umzuwerten. So ein Historienspektakel wie der in den 1930er Jahren dramatisierte „Verrat von Prenzlau“ (im 15. Jahrhundert, als zwei Bürgermeister die brandenburgische Stadt den sie belagernden Pommern in die Hände spielen wollten), könnte sie auch ergeben. Auf dem Pariser Arc de Triomphe ist Prentzlow deshalb übrigens verewigt.

Die nach dem „Verrat“ abgeschlagenen Schwurhände der Bürgermeister des 15. Jahrhunderts sind übrigens noch im Stadtmuseum zu besichtigen, das aber dennoch sehenswert ist, schon, weil es sich im ebenfalls alten gewaltigen Dominikanerkloster befindet.

Prenzlau, Plattenbauten in der Stadtmitte (oben vom Dom aus gesehen)

Wie in vielen kleineren Städten wird ehemaliger Hausptstadtcharakter gern betont. „So erfährt der Museumsbesucher, dass Prenzlau seit 1465 offiziell als eine Hauptstadt im Brandenburgischen Land bezeichnet wurde“.

Später ist das Hauptstädtische dann in Vergessenheit geraten. Aber die Hauptstadt, die blieb und zurzeit die deutsche ist, hat immerhin einen ihrer unscheinbaren Berge, den mit 91 Metern neunthöchsten des heutigen Stadtgebiets, nach der alten Mit-Hauptstadt benannt.

Und im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert hat der Prenzlauer Berg, auch wenn kein Mensch weiß, wo der Gipfel ist, ja gewisse Furore gemacht.

***

„Hauptstadt der Uckermark“ wird Prenzlau übrigens mitunter weiterhin genannt (und dass, wer gegenwärtiges deutsches Regierungshandeln verstehen möchte, „in die Uckermark reisen“ müsse, wird gelegentlich behauptet, … wobei Angela Merkel im nahen Templin aufwuchs).

Prenzlau, Unteruckersee

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