Salzgitter ist eine merkwürdige Stadt, schon weil es sich um eine der jüngsten deutschen Großstadt-Gründungen handelt. Die fand in den frühen 1940er Jahren statt, um die Verwaltung der 1937 gegründeten „Reichswerke Hermann Göring“ zu erleichtern, deren Betriebsstätten nicht nur zwischen vielen Dörfern und Kleinstädten der Region, sondern auch noch zwischen den Ländern Preußen und (Freistaat) Braunschweig verteilt waren. Vergleichsweise viel Industrie gibt es in Salzgitter noch immer. Eine Aktiengesellschaft trägt ja sogar denselben Namen. Wobei die Salzgitter AG mit den ehemaligen Reichswerken zwar etwas zu tun hat, nicht aber mit deren Hauptzweck, wirtschaftlich unprofitables, aber kriegswichtiges Erz zu fördern. Insgesamt mehr hat zu tun hat die heutige AG, historisch, mit der ehemaligen Ilseder Hütte, die wiederum deutlich älter als die Reichswerke und die Stadt Salzgitter ist – auf deren Gebiet sie sich allerdings auch gar nicht befindet … Jedenfalls kann all das dazu verleiten, Salzgitter für eine ausgewachsene Industriestadt zu halten.
Umso erstaunlicher, dass man mitten in Salzgitter auch locker 15 Kilometer auf einem Bergrücken (bzw. Höhenzug) durch schönen Laubwald gehen kann und dabei nur selten auf Besiedlung stößt. Ausgangspunkt könnte die Burgruine auf dem immerhin 241 m hohen Lichtenberg sein. Deren Turm ist sichtlich spät neugebaut worden (in den 1890er Jahren), tut aber immerhin auch gar nicht so, als sei er alt.
Und die Gemäuerresate drumherum wurden vermutlich unter Heinrich dem Löwen errichtet – einer der großen Loser-Gestalten der deutschen Geschichte. Als Herzog Sachsens (des damaligen, das mehr oder weniger dem heutigen Niedersachsen entspricht) und Bayerns hielt er sich für den mächtigsten Herrscher seiner Zeit. Zum Kaiser gewählt wurde jedoch sein Vetter Friedrich Barbarossa, der den Löwen später gründlich besiegte und entmachtete. Besser in Erinnerung geblieben als viele, die zu ihren Lebzeiten Siegertypen waren, ist HdL dennoch, vor allem als Gründer oder Neugründer ziemlich vieler Städte zwischen der Ostsee und München. Und auch wenn Heinrich das Salz als eines der wichtigsten Industrieprodukte seiner Zeit zu schätzen wusste (wie die im Beitrag über Unterföhring erzählte Legende um die Gründung Münchens zeigt …): Gründer Salzgitters war er nicht, sondern bloß derjenige, der Burg Lichtenberg hatte erbauen lassen. Anno 1180 verlor er sie im Kampf an Barbarossas Truppen.
Das ging seinem Sohn Otto IV. – der schließlich doch Kaiser wurde, aber ein sehr unglücklicher, unter dem das Deutsche Reich des Mittelalters seine Macht weitgehend verlor … – im Jahr 1205 oder 1206 gleich noch einmal so. Ruin-iert wurde die Burg jedoch erst 1552 (und wird sie immer wieder mal, denn dass Vandalismus in Salzgitter ein Fremdwort wäre, lässt sich nicht behaupten).
Den Turm besteigen konnte man neulich nicht. Doch hat man vom Denk-/Mahnmal „Kanzel von Salzgitter“ etwas unterhalb der Ruine auch so einen schönen Blick auf die seltsame Stadt mit gar nicht so vielen Schornsteinen, dafür Wald und eben vielen Dörfern.