Vielleicht führt es doch einen Tick zu weit, Doberlug „barocke Planstadt“ zu nennen. Der Ort in der Niederlausitz besteht auf den ersten Blick aus einer geraden, breiten Straße. Sieht man genauer hin, sind es zwei bis drei. Dass er „planmäßig in Hufeisenform“ angelegt wurde, trifft es besser. So formuliert es die Webseite doberlug-kirchhain.de, deren Name anzeigt, dass dieses Doberlug Teil einer Doppelstadt ist. Dass der Plan größer war als das, was daraus entstanden ist, bestätigt die Brandenburger AG Historische Stadtkerne.
Der Fürst, der das Planstädtchen in den 1660er Jahren anlegen ließ, Christian I., regierte mit dem durch eine „freundbrüderliche“ Teilung entstandenen Sachsen-Merseburg wie die meisten seiner seinerzeit überaus zahlreichen Kollegen zwar ein durchaus überschaubares Gebiet. Es umfasste aber trotzdem drei unterschiedliche Ländereien, u.a. eben auch das größere Merseburg. Bloß der dort wütenden Pest wegen war Schloss Dobrilugk (wie es damals noch hieß und, [dobryj djen‘], auf den vermutlich slawischen Ursprung verwies) 1682 ein Jahr lang dieses Christians Residenz. Anschließend kam er wohl bloß noch „in diese wildreiche Gegend“ (schloss-doberlug.de), um dem liebsten Hobby der meisten Fürsten, der Jagd nachzugehen.
Das schon vor der Orts-Anlegung anstelle eines Klosters errichtete Schloss ist für die brandenburgische Landesausstellung mit dem hübschen Titel „Wo Preußen Sachsen küsst“, für die auch schöne Youtube-Trailer der Babelsberger Filmhochschule werben, nun „wachgeküsst“ worden. „Nach zahlreichen Umbauten und Sanierungsarbeiten in den letzten Jahren präsentiert sich das restaurierte Renaissanceschloss Doberlug mit seiner strahlend weißen Fassade und macht neugierig darauf, wie es wohl von innen aussieht“, zeigt die offizielle Stadt-Webseite sich optimistisch .
Dass der alte Christian „das Schloss zu einer übertrieben großen und kaum genutzten Nebenresidenz ausgebaut“ hatte und es „seine intensivste Nutzung erlebte, als es in der DDR als Kaserne diente“, würden dagegen die „Brandenburger Blätter“ sagen, eine Beilage der lokalen „Märkischen Oderzeitung“ aus dem Juni (die im Schloss derzeit ausliegt). Tatsächlich groß ist in Doberlug der Kontrast zwischen dem pompösen Schloss und dem Rest des Ortes.
Wieauchimmer, das sind kein Gründe, ihn, es und die Ausstellung nicht anzuschauen. Sie macht fast spektakulär deutlich, wie sich die Herrscher Sachsens und Brandenburg-Preußens vor etwas mehr als drei Jahrhunderten beinahe gleichzeitig (1697 und 1710) Königs-Titel besorgt hatten, und wie viele Orte in der eher unbeachteten Gegend zeitweise zu diesem, zeitweise zu jenem Territorium gehörten. Seinerzeit hatten zwei der schon ihrer Beinamen wegen heutzutage relativ bekanntesten unter den unzähligen Herrschern im „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“, August der Starke und Friedrich der Große, zwar nicht gleichzeitig regiert, waren aber doch zwei Jahrzehnte lang Zeitgenossen gewesen. Und wie sehr die absolutistischen Herrscher damals so oder so, mit Geld oder Gewalt, um alles Mögliche konkurrierten, zeigt die Doberluger Ausstellung gut: zum Beispiel um Alchimisten (Johann Friedrich Böttger war aus Berlin nach Sachsen geflohen, wo er dann in Meißen die europäische Porzellanherstellung erfand, wohingegen Johannes Kunckel, den Erfinder der ebenfalls kommerziell interessanten Rubinglas-Herstellung, ähnliche Nöte in umgekehrter Richtung nach Berlin auf die Pfaueninsel geführt hatten), um Hofkomponisten und -kapellmeister sowieso, aber auch um Kupferstichkabinett-Kuratoren – oder wie immer man Matthias Oesterreich, der zunächst Unterinspektor der Dresdener Gemäldegalerie und später königlich preußischer Galeriedirektor in Sanssouci war, beruflich nennen würde.
Und wer wüsste auf Anhieb noch, dass nicht nur notorische Preußen, sondern auch Sachsen seinerzeit gefragte Militärstrategen waren? Wobei Maurice de Saxe vor allem für Frankreich unterwegs war, allerdings auch im damaligen HRR, während der „Hercules Saxonum“ eigentlich Johann Adolf II. von Sachsen-Weißenfels hieß und nebenbei ein noch so freundbrüderliches Sachsen-Territorium regierte …. Und dass Sachsens kulturell und wirtschaftliche größere Zeit mit der Bombardierung Dresdens (anno 1760!) durch die Armeen des genannten Friedrich endete, ist vielleicht noch bekannt, in neueren Verdichtungen älterer Geschichte aber auch nicht unbedingt enthalten.
Am Ende bedauert man beinahe, dass diese Landesausstellung ihren brandenburgischen und ein wenig sächsischen Auftrag sehr ernst nimmt und z.B. Sachsen-Anhalt (das ja deshalb „Sachsen-“ heißt, weil es ebenfalls viele Gebiete enthält, die bis zum Wiener Kongress 1814/ 15 sächsisch gewesen waren und anschließend preußisch wurden) darin gar nicht vorkommt. Zumindest für die aktuelle Ausstellung ist das Doberluger Schloss also gar nicht viel zu übertrieben groß .