Wenn es nach seinem bekanntesten ehemaligen Bewohner ginge, müsste das Dorf in Schleswig-Holstein natürlich Ottosruh heißen. Otto von Bismarck ist dort omnipräsent. Die Faustregel, dass Ortsnamen, die auf menschlichen Vornamen basieren, aus dem Feudalismus her rühren, trifft aber dennoch zu. Bloß war Friedrich zur Lippe-Biesterfeld, als er dort seine Ruhe suchte, kein Herrscher mehr.
Seine kleine gräfliche Herrschaft in und um Biesterfeld (heute Teil eines Stadtteils der auch nicht ungeheuer bekannten Stadt Lügde …) hatte er aufgegeben bzw. an andere Mitglieder seiner verzweigten, zerstrittenen Familie verkauft. Ob der „Sonderling im Sachsenwald“, wie die „Neue Deutsche Biographie“ ihn (im Artikel über die ganze Sippe der zur Lippes) nennt, sich einfach ein Landhaus gekauft hat oder aber dort als hannoverscher Statthalter wirkte, wie im Ausstellungsbegleiter der Bismarck-Museen steht, weiß ich nicht.
Jedenfalls hatten die Herzöge und späteren Kurfürsten von Hannover nach dem Aussterben der Herzöge von Sachsen-Lauenburg deren Gebiet Ende des 17. Jahrhunderts erobert, bevor ihnen im 19. Jahrhundert Franzosen, Dänen und nach dem deutsch-dänischen Krieg von 1864 Preußen folgten.
In der Preußenzeit bekam dann Otto von Bismarck immer mehr von der Gegend geschenkt, vor allem den „Sachsenwald“ – am Ende sogar den Titel eines „Herzogs von Lauenburg“. Den zu benutzen war ihm aber zu doof; schließlich war Bismarck ein zumindest zu seinen Lebzeiten relativ fortschrittlicher Spagat zwischen operettenkaiserlichem Feudalismus und sozialversicherungs-haltigem Nationalstaat gelungen. Dennoch heißt der Landkreis als einziger deutscher Landkreis auch heutzutage noch „Herzogtum“.
Otto von Bismarck also gelten sämtliche öffentlichen Stätten des Dorfes Friedrichsruh außer dem „Garten der Schmetterlinge“ (der allerdings auch der Familie gehört). Im Bismarck-Museum sind eine Menge Memorabilien ausgestellt; ob Bismarcks Brautwerbebrief, eine Replik der Emser Depesche oder das Unterhemd mit (von Bismarcks erfolgreich umworbener Frau Johanna freilich gestopftem) Attentats-Durchschuss aus dem Jahre 1866 das spektakulärste Objekt ist, liegt im Auge interessierter Betrachter.
Das ehemalige Bahnhofsgebäude von Friedrichsruh beherbergt eine allgemeinere „moderne Dauerausstellung zum Thema ‚Otto von Bismarck und seine Zeit'“ der ebenfalls dort ansässigen Otto-von-Bismarck-Stiftung.
Dann gibt es noch auf der anderen Seite der Bahnstrecke das Bismarck-Mausoleum, das anzugucken allerdings nicht ganz leicht ist. Eintrittskarten gibt’s nur im erstgenannten Museum, das jedoch andere Öffnungszeiten hat.
Gar nicht anzugucken ist das Schloss, das Otto von Bismarck sich anstelle des Lippe-Biesterfeld-Baus errichten ließ, nachdem ihm das Gelände geschenkt worden war. Nur die Mauer drumherum ist zu sehen – und von hoher Authentizität. Die Bismarcks der Gegenwart benutzen sie zu genau dem Zweck, zu dem bereits ihr Vorfahr sie errichten ließ: um Schaulustige abzuschirmen. Womit die Bismarcks übrigens absolut Recht hatten und haben. Es gibt mindestens genug besichtigbare Schlösser in Deutschland, wahrscheinlich deutlich mehr. Es muss sich wirklich nicht jedes ansehen lassen.
Die erwähnte Bahnstrecke ist stark befahren, denn sie führt von Hamburg nach Berlin. Die Unterführung darunter (Foto ganz oben), durch die der Weg zum Mausoleum führt, ist schön bzw. „so schön wie möglich“ gestaltet, wie eine aktuelle von Bismarck auf der erklärenden Texttafel bescheiden schrieb. „Schönheit macht glücklich“ soll die Botschaft lauten. Wie glücklich es macht, durch diese besprühte Unterführung zu gehen, ist wahrscheinlich individuell und hängt von der Tagesform ab.
Zumindest einen Anlass, mal wieder über Glück, Schönheit und den Zusammenhang zu räsonieren, wenn man das nicht ohnehin regelmäßig tut, bietet der Weg aber.
Falls jetzt der Eindruck entstanden sein sollte, Friedrichsruh sei ein eigenständiges Dorf sei: Ist es nicht. Es ist Teil der Gemeinde Aumühle, die vor allem durch ihren Anschluss ans Hamburger S-Bahn-Netz sowie als Sitz der noch, aber vielleicht nicht mehr lange von Nestlé gepachteten, auch schon wieder nach Bismarck benannten Mineralwasser-Quelle bekannt ist.
Christian,
Der Artikel kommt genau zur rechten Zeit, denn es wird nicht mehr lange dauern, bis Friedrichsruh wieder im Licht der Weltöffentlichkeit erstrahlen wird. Nicht im Politik-, sondern im Gesellschaftsressort, dafür umso heller: http://www.dailymail.co.uk/femail/article-3272104/Count-Nikolai-von-Bismarck-linked-Kate-Moss-dated-Princess-Beatrice.html
Darauf ein Glas Ziegenblut!