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Fasch (Berlin/ Zerbst)

Fasch, der jüngere, vorm Gorkitheater in BerlinMitten in Berlin-Mitte liegt ein sehr schlechtes Wortspiel sehr nahe.  Nur wenige 100 Meter vom relativ bekannten Denkmal aus DDR-Zeiten, das an Karl Marx und Friedrich Engels erinnert und mit dem nachgebauten feudalistischen Schloss als neuem Bildhintergrund gewiss weiter aufblühen (und noch öfter fotografiert werden) wird, steht ein Büsten-Denkmal zur Erinnerung an  Karl Friedrich Fasch.

So eindeutig das Marx-Denkmal an den Begründer des Marxismus erinnert (auch wenn sich vielleicht diskutieren ließe, wie viel bislang existiert habende Marxismen mit seinen Ideen wirklich zu hatten …), so bitteres Unrecht wäre es, bei Fasch an Faschismus zu denken. Sein Kopf steht als Büste vorm Gorkitheater, weil er als Begründer der „Sing-Akademie“, die in dem klassizistischen Bau ihren ersten Sitz hatte, und damit als Begründer des nicht-kirchlichen Chorgesangs gilt.

Wer das ins Gesellschaftlich-Politische wenden möchte: Nachdem er zuvor „Hofkapellmeister Friedrichs des Großen“ gewesen war, also Höfling im Absolutismus, „ebnete“ er später „der bürgerlichen Musikpflege neue Wege“. So formuliert es die Neue Deutsche Biographie 1961.

Wer nach Karl Friedrich sucht, stößt auch auf Johann Friedrich Fasch, seinen Vater, der an einem sehr viel kleineren Hof Kapellmeister war, dafür mehr als ein halbes Jahrhundert lang: von 1722 bis 57 in Zerbst. In dieser Zeit hatte dieses Städtchen im heutigen Sachsen-Anhalt seine Viertelstunde Weltruhm: 1743, als die Anhalt-Zerbster Prinzessin Sophie Auguste Friederike, die trotz ihrer drei Namen später noch einen weiteren erhielt und zu Katharina der Großen wurde, nach St. Petersburg aufbrach.

Fasch, der Ältere, in Zerbst1745 komponierte Fasch „eine Serenata anlässlich der Eheschließung der … Prinzessin  … mit dem Großfürsten Peter von Russland am 1. September“, informiert die Internationale Fasch-Gesellschaft e. V. unter der Domain fasch.net. In den letzten Jahren der Hoftätigkeit des alten Fasch, ab 1747 bzw. 1752 regierte in Zerbst Katharinas der Großen kleiner Bruder, Friedrich August.

Und während die Große zumindest unter Aspekten des absolutistisch-imperialistischen Feudalismus das große Russland gut regierte (daher wurde ihr ja als einziger Monarchin überhaupt das Adjektiv angehängt), regierte ihr Bruder das sehr kleine Anhalt-Zerbst wohl eher schlecht.

Zerbst, wo Fasch, der Altere, wohnte
Zerbst (wo Fasch, der Altere, ungefähr wohnte)

„Da er sich häufig im Auslande aufhielt, so gerieth die Regierung seines Landes in die Hände eines Geheimerathscollegiums, das sehr willkürlich verfuhr. Bedrückungen und Ungerechtigkeiten waren an der Tagesordnung, wer konnte suchte sich zu bereichern …“, heißt’s in der Alten Deutschen Biographie von 1876 (weiter unten im Artikel, der seinem Vater und damit auch Katharinas Vater gilt). Wieauchimmer: Gute Musik hatte er an seinem Hof. Oder es gab sie, weil er selbst dort nicht weilte.

Um noch mal die NDB zu bemühen: Der ältere Fasch „verkörperte …  jenen handwerklich meisterlichen Typus des norddeutschen Musikers, der im ausgehenden musikalischen Spätbarock eine Gebrauchskunst von europäischer Weite schuf“. Und weil solche Musik wie viele andere auf Youtube zirkuliert, kann sich heute jeder davon überzeugen, wie gut sie auch im 21. Jahrhundert noch zu gebrauchen ist.

Es lohnt sich doch oft, auf Denkmäler, die aus diesen und jenen Epochen stehen geblieben sind, zu achten, auch wenn sie längst nicht mehr zum Denken anregen als alles andere auch .

Katharina die Große und das Zerbster Schloss
Katharina die Große (ziemlich neue, russisch gestiftete Statue) und das interessant ruin-ierte Zerbster Schloss

3 Kommentare

  1. Marx-Engels-Denkmal „mit dem nachgebauten feudalistischen Schloss als neuem Bildhintergrund“: das stimmt nicht ganz. Wie auf der verlinkten Website steht hatten sie zwar zur Zeit der DDR „dem Palast der Republik den Rücken gekehrt“, jetzt aber schauen die beiden AUF das Schloss, statt es hinter sich stehen zu haben.

    1. Stimmt, wenn man drauf besteht, M & E voll frontal zu fotografieren. Nur ziemlich schräg wär’s möglich (aber das hatte ich beim Schreiben nicht mehr vor Augen, zugegeben).

  2. Schon fruh begann Fasch, kirchenmusikalische Werke zu schreiben, die er jedoch immer wieder vernichtete, weil sie vermutlich seinen Anspruchen nicht genugten. Fasch faszinierte und in ihm den Wunsch erweckte, ein ahnliches kunstvolles Werk zu schreiben, was ihm auch gelang.

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