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Versteckt spektakulär (Dillenburg)

dillenburg-wilhelmsturm-ueber-stadtWeithin sichtbar auf einem Fels sowohl über der Stadt als auch oberhalb einer rund 300 Meter breiten und mit teils 24 Metern echt „Hohen Mauer“ steht über Dillenburg …… nicht die Dillenburg, sondern bloß ein einzelner, nicht ungeheuer origineller Turm. Der Wilhelmsturm sieht mit seinen Seitentürmchen so ähnlich aus wie viele andere Türme in Hessen, zum Beispiel der Adolfsturm in der gewaltigen Friedberger Burganlage oder der Eschenheimer Turm mitten auf einer Frankfurter Kreuzung. Bloß sind diese Türme immerhin historisch, also deutlich älter.

friedberg-adolfsturm Frankfurt, Eschersheimer TurmDer Dillenburger Turm stammt dagegen aus dem späten 19. Jahrhundert und wurde nach damaligem historistischen Zeitgeschmack als Platzhalter für das Dillenburger Schloss errichtet, das im 18. Jahrhundert zerstört worden war. Das war im Siebenjährigen Krieg geschehen und, wie die meisten Kriegshandlungen fast überall in Deutschland, eine verwickelte Angelegenheit: Erst hatten anno 1759 die Hannoveraner beziehungsweise die (vom selben König regierten) Engländer das von nur rund 20 Mann bewachte Burg-Schloss Dillenburg besetzt, weil es damals als gewaltige Festung weithin bekannt war – und weithin sichtbar.

dillenburg-hohe-mauerIm folgenden Jahr kamen ihre Gegner in diesem Krieg, die Franzosen. Rund 250 Granaten, 286 Bomben sowie 3.150 Kanonenkugeln später hatten diese die Festung zerstört. Der Kleinststaat Nassau-Dillenburg spielte in diesem Krieg überhaupt keine Rolle. Er wurde bereits seit den 1740er Jahren von Den Haag aus regiert, weil die Nassauer aus Diez an der Lahn sowohl die verwandten Nassau-Oranier als Erbstatthalter der Niederlande beerbt als auch Dillenburg geerbt hatten. Ersterer Titel war erheblich bedeutender, deshalb waren sie umgezogen. Und ihre Dillenburger Untertanen hatten mit dem Krieg bloß insofern zu tun gehabt, dass ihre Stadt zu Füßen des Burg-Schlosses selbstverständlich früh im Kampfverlauf zerstört worden war. Insofern engagierten sich die Einwohner dafür, die Festung lieber vollkommen verschwinden zu lassen, damit sie nicht wieder Kriegführende anlockt, als sie wiederaufzubauen. Die Obrigkeit in den fernen Niederlanden hatte nichts dagegen. Daher wurden die Ruinen restlos abgetragen und die Steine, die damals noch rar waren, zum Bauen unten in der Stadt wiederverwendet. Bis zum Aufbau des historistischen Wilhelsmturms befand sich auf dem Burgberg: nix.

dillenburg-kasemattenInzwischen ist das etwas doof für Dillenburg. Denn so ist von außen und unten kaum sichtbar, was sich sehr Spektakuläres im Berg versteckt: die größten erhaltenen Kasematten Deutschlands, ja, die zweitgrößten Europas (nach denen in Luxemburg), sagen die Dillenburger. Es handelt sich um impossante Gewölbe, gewaltige Gänge im Fels sowie einen sehr tiefen, einst von Gefangenen bis hinab zum Fluss Dill geschlagenen Brunnen. Dennoch kämen nur etwa rund 17.000 Besucher pro Jahr, wurde mir bei einer Führung dort gesagt. Gut die Hälfte seien Niederländer, die ohnehin kommen.

dillenburg-wilhelms-denkmalSchließlich ist Dillenburg Teil der Oranierroute, und der bekannteste Dillenburger heißt Wilhelm von Nassau bzw. Wilhelm der Schweiger. Die Geschichte des eigentlich deutschen Stars der niederländischen Nationalhymne („Wilhelmus van Nassouwe/ ben ik, van Duitsen bloed …“) wird mindestens bei jeder deutsch-niederländischen Fußballländerspiel-Übertragung noch mal erzählt und ist daher relativ geläufig. Als Nassauer Fürstensohn wurde er 1533 in Dillenburg geboren. 1549  zog er wegen der Erbschaft des reichen Oranien in die damaligen Niederlande. Während seines Exils von 1566/7 bis 1572 hatte er noch mal in Dillenburg seine Basis, bevor er in den Achtzigjährigen Krieg auszog, durch den die Niederlande und Holland (das dort Wilhelms Basis war und ungefähr seitdem in Deutschland als Synonym benutzt wird …) ungefähr wurden, was sie sind.

Die Kasematten anzuschauen lohnt sich jedenfalls. Spektakulär ist schon, wie kalt es in ihnen sogar dann ist, wenn draußen Schwüle herrscht. Die Temperatur soll immer bei rund 7 Grad Celsius liegen. Überdies ranken sich um die Reste des Dillenburger Burg-Schlosses viele weitere spannende Geschichten – nur zum Beispiel die in Wilhelm-von-Nassau-Geschichten selten auserzählte um die zweite seiner vier Frauen, Anna von Sachsen, und ihr sehr tragisches Ende. Wobei Wilhelm diese Frauen natürlich alle nacheinander geheiratet hatte (und er diese Anna vermutlich auch deshalb loswerden wollte …).

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Ein Kommentar

  1. Witzig – habe dort unten 12 Jahre gearbeitet, bis es mich ins Ösiland zog! Schön, dass mittlerweile auch in Blogs drüber berichtet wird 😀 Ich muss mich beim nächsten Heimatbesuch auch mal an einen Beitrag setzen! LG Anke von Daheimistlangweilig

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