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Erstaunliche ehemalige Hauptstädtchen: Gaildorf

Gaildorf lädt, wenn man’s ausspricht, zu Wortwitzen ein. Historisch betrachtet gehört die heute gut 12.000 Einwohner zählende Stadt am in der Sonne oft schön braunlich schimmernden Fluss Kocher zu den ehemaligen deutschen Hauptstädtchen mit der komplexesten Herrschaftsgeschichte. Macht man sich vom Bahnhof Gaildorf West auf den (nicht ganz nahen) Weg zur Innenstadt, begegnet einem als erstes historisches Bauwerk das „Brandenburger Tor“ oder, wie man in Baden-Württemberg auch gern sagt: „Törle“. Der von allen Landkarten längst völlig verschwundene Staat Brandenburg/ Preußen hatte, solange es ihn gab, seine Form laufend geändert. Zweimal etwa hatte Ostfriesland dazu gehört, und einmal ganz kurz auch Gaildorf: Anno 1713

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„Royals“ für Belgien und Bulgarien (Coburg)

Das Faible der Deutschen für sogenannte Royals, wie das exzessiv darüber berichtende öffentlich–rechtliche Fernsehen sie gerne nennt, ist vielleicht gar nicht mehr soo groß, könnte eine kürzlich gemachte Umfrage des „Stern“ nahelegen. Interessantere Geschichten als bei jeder neuen Gelegenheit wieder neu „Wie deutsch ist die Queen?“ zu rekapitulieren, gibt es allerdings viele. Ganz besonders im bayerischen Coburg.

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Wo fast der Schah schlief (Berlin-Pankow)

Wer findet, dass Kontraste helfen, etwas kenntlich zu machen (was genau, bleibt ja doch immer im Auge der Betrachter liegen), sollte sich das kleine Schloss in Berlin-Pankow ansehen. So scharfen Kontrasten aus lange nacheinander gefolgten, abgeschlossenen Epochen begegnet man nicht oft auf so engem Raum nebeneinander. Eigentlich heißt das äußerlich unspektakuläre kleine Schloss eher „Schönhausen“ und erklärt somit den Namen der recht bekannten Schönhauser Allee im südlich gelegenenen Stadtbezirks-Stadtteil Prenzlauer Berg. Das Schloss spielte in zwei ziemlich unterschiedlichen Staaten jeweils einmal eine größere Rolle als Residenz, und es wurde im Lauf seiner Geschichte zweimal für Gesprächsrunden genutzt, die sich dann als ziemlich entscheidend erwiesen.

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Wilde Geschichte (Mindelheim)

Mindelheim sieht erst mal aus wie viele bayerische Orte: An beiden Seiten der Hauptstraße durch die Innenstadt stehen große Stadtor-Türme. In der Mitte liegt der Markt- bzw. Marienplatz mit besonders bunten, Ziergiebel-geschmückten Häusern. Und natürlich ragen außerdem Kirchtürme aus dem Städtchen empor; im Vergleich fällt vielleicht auf, dass die großen keine Zwiebelkirchtürme sind. Mindelheim ist eine Stadt der Türme, so wie es vor allem im süddeutschen Raum viele Städte der Türme gibt (das 25 Kilometer entfernte Memmingen etwa ist gleich schon wieder eine …). Wie vielerorts fassen Texttafeln die Stadtgeschichte zusammen, etwa am Oberen Tor und vor dem historischen und historistischen Burgschloss über der

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Spannungsverhältnisse (Ahrensburg)

In Ahrensburg sprang mir zunächst vor allem die erstaunliche Vielfalt von ähnlich grünen wie langen Wohnstraßen, auf denen außer moderatem Autoverkehr wenig los ist, ins Auge. Der nominell schleswig-holsteinische Ort zählt eben zum sog. Speckgürtel der Großstadt Hamburg, mit der er fast schon zusammengewachsen ist. Umso schöner, wenn einem dann ein weißes Wasserschloss begegnet.

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Sie hießen alle immer Heinrich (Greiz)

Städte mit Schlössern gibt es in Deutschland mindestens so viele wie Städte mit Fußgängerzonen. 22.000-Einwohner-Städte mit insgesamt drei Schlössern gibt es nicht so viele. Greiz (Thüringen) ist eine davon. Leider wurde eine der schlossartigen Anlagen dort gerade ziemlich in Mitleidenschaft gezogen: Der Greizer Park um das Sommerpalais war für meinen Geschmack einer der schönsten Englischen Gärten im an Schlossparks auch alles anderen als armen Deutschland. Ich sah ihn mir im Mai bei auch schon eher schlechtem Wetter (Foto oben) an. Im Juni führte das Hochwasser der Weißen Elster dann zu „Schäden apokalyptischen Ausmaßes“ (Ostthüringer Zeitung). Eine Bildergalerie auf der Spendenaufruf-Seite (rechte Randspalte) von

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Ältere Herren auf Kanonenkugeln (Bodenwerder)

Kanonenkugeln werden in Bodenwerder so einige beritten. Schließlich möchte das niedersächsische Weserstädtchen Touristen mit Hilfe des als Lügenbaron global bekannten Karl Friedrich Hieronymus von Münchhausen anziehen – und tut es auch. Das Münchhausen-Museum hat, obwohl nur von März bis Oktober geöffnet, nach eigenen Angaben gut 20.000 Besucher im Jahr. Es liegt am Rande der ursprünglichen Innenstadt, die sich sehr genau verorten lässt, weil Bodenwerder noch bis vor wenigen Jahrzehnten eine Insel war. Zur Landstadt wurde es erst um 1950, wohl weniger als bewusste Entscheidung (obwohl Hochwasser zuvor für erhebliche Probleme sorgte, so wie andererseits die Insellage Schutz vor Angriffen bot), sondern im Zusammenhang

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Köthener Konzerte

Dass sich unter den global bekannten klassischen Komponisten ziemlich viele deutschsprachige und italienische befinden, hängt mit der historischen Entwicklung dieser Regionen zusammen: Es gab jahrhundertlang besonders viele Kleinstaaten und daher besonders viele Höfe, an denen sich künstlerisch veranlagte Fürsten gerne auch Musik und damit Kapellmeister hielten. Und die schrieben ihre Musik oft selbst. Anhand deutscher Fürstentümer des 18. Jahrhunderts veranschaulicht die vierteilige Serie „Johann Sebastian Bach“ des DDR-Fernsehens aus den 1980er Jahren das eindrucksvoll (und auch unter feudalismuskritischen Aspekten, die inzwischen vielleicht etwas kurz kommen…). In Köthen, das heute in Sachsen-Anhalt liegt, war Bach von 1717 bis 1723 Hofkapellmeister des Fürsten Leopold von

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Die Barockengel des Baulöwen (Brühl)

So kritisch die gegenwärtige Öffentlichkeit gewiss ist: Das Kalkül von Herrschern längst vergangener Epochen geht im Allgemeinen auf. Wenn sie der Nachwelt Prunkbauten hinterlassen und die idealerweise nach sich selbst benannt haben, und wenn diese Bauten noch stehen, leben ihre Namen weiter. Touristen erfahren auf Führungen dieses und jenes über die Bauherren, meistens eher Positives. Wer will schon so kleinlich sein, beim Anschauen von etwas Schönem Sozialkritik an längst vergangenen Epochen zu üben, wenn die globale Gegenwart ebenfalls mehr als genug Anlässe dafür bietet. (Am Rande: Nur im Bamberger Schloss hörte ich einmal einen Führer so fast schon subversiv erläutern, wie der Erzbischof,

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Graffitiwand und Luther-Superlativ (Neuburg/ Donau)

Vor einigen Jahren hatte mal jemand von den „Klowänden des Internet“ geredet und einen kleinen Shitstorm geerntet. Zu behaupten, dass inzwischen sämtliche Innenstadt-Gebäudewände in Sprüh-Reichweite das wären, was früher Klowände waren, wäre ähnlich unsachlich. Graffiti sind aber jedenfalls omnipräsent in der Gegenwart. Eine lange Geschichte haben sie auch. Das Wort stammt aus dem Italienischen und ist vom Verb sgraffiare, kratzen abgeleitet. Konkret wurde „ein dunkel eingefärbter Unterputz mit einer hellen Kalktünche überstrichen, aus der die Darstellung herausgekratzt wird, so dass die Zeichnung dunkel auf hellem Grund erscheint“, erklärt der amtliche Führer der Bayerischen Schlösserverwaltung zum Schloss in Neuburg/ Donau (Bayern). Denn wer in

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